| Ausgeleugnet…? Cartoons: Rainer Hachfeld Verschwörungstheorien und Realitätsbeugung haben – so heißt es jedenfalls – ein langes Leben. Insofern verwundert es ein wenig, dass sie beinahe spurlos aus der Öffentlichkeit verschwunden sind, die Leugner des Klimawandels. Nur FDP-Minister halten noch verschämt deren Fähnlein hoch, allerdings nicht mit lautem Getöse, sondern eher durch fleißiges Sabotieren aller Umweltprojekte. Was aber ist mit den Schreiern passiert, die jedes Zehntelgrad der Erderwärmung Gott und der Welt zuschrieben, nicht aber dem Menschen, also sich selbst. Sind sie alle plötzlich klüger geworden? Eiskaltes Wetter – Klima zu warm Der oberste Leugner des Klimawandels, Donald Trump, pflegte sich stets köstlich zu amüsieren, wenn Schneestürme über die Prärien des US-Mittelwestens tobten oder selbst an Kaliforniens Sonnenstränden das Thermometer Minusgrade anzeigte. „Soll das etwa die Erderwärmung sein?“ wandte er sich dann feixend an sein gläubiges Publikum. In Deutschland verwechseln ebenfalls bis heute viele den aktuellen Wettercharakter, der von kurzfristigen Phänomenen wie Tiefdruck oder Niederschlag bestimmt wird, mit den über Dekaden, Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende reichenden Inhalten der Klimaforschung. Auch in der tropischen Wüste kann es regnen, in der Arktis warm werden, doch waren solche Ausreißer normalerweise nicht signifikant für die Beobachtung langer Zeiträume. Mittlerweile aber verdichten sich die einstigen Ausnahmesituationen zu Perioden, die einen globalen Klimawandel nahelegen, und Forscher führen diese Veränderungen, die demnächst weite Teile der Erde unbewohnbar zu machen drohen, auf das emsige Treiben des Menschen zurück. „Quatsch!“ sagten die Skeptiker auch hierzulande. Wetterkapriolen habe es immer schon gegeben, und längere Ausnahmeperioden, etwa Dürre oder „kleine Eiszeiten“, seien bereits vor Jahrhunderten beobachtet worden, mit dem menschlichen Fußabdruck auf Erden habe das nichts zu tun. In den letzten Jahren wurden jedoch solche Stimmen leiser und weniger – allerdings nicht, weil die Erkenntnisse der Forscher akzeptiert worden wären, sondern weil die Einschläge der Klimaveränderung häufiger sowie folgenreicher wurden und geografisch immer näher kamen. Der versierte Klimaleugner hält sich ans Wetter. Für das kann er wirklich nichts. Forschung nur, wenn sie zur Meinung passt Die meisten langjährigen Ignoranten der menschgemachten Erderwärmung entstammen dem rechten Lager von FDP bis AfD und befürworten längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Sie berufen sich bei ihrem Festhalten an einer (erwiesen) gefährlichen Art der Energiegewinnung gern auf die schrumpfende Gruppe von Wissenschaftlern, die latente Risiken der Nukleartechnik (von äußerer Gewalteinwirkung über menschliches Versagen, Material- und Prozessfehler bis zur ungeklärten Entsorgung) nonchalant totschweigen. Wenn aber die überwältigende Mehrheit der Klimaforscher davor warnt, dass der Mensch seine Industrie- und Mobilitätsgepflogenheiten ändern muss, um sich seinen Planeten als Heimat zu erhalten, stößt sie auf taube Ohren. Dabei hat das, was Wissenschaftler im Auftrag der Vereinten Nationen ermittelt haben, enorme Brisanz und müsste Politik sowie Wirtschaft zu sofortigem Handeln veranlassen: Das IPCC, ein internationales Gremium von Forschern zur Untersuchung des Klimawandels, veröffentlichte u. a. ein Diagramm, das zeigt, dass sich in den letzten 2000 Jahren die globale Oberflächentemperatur im Durchschnitt kaum verändert hat – mit Ausnahme des Zeitraums von 1850 (Beginn der intensiven Industrialisierung) bis heute. In dieser relativ kurzen Spanne stieg die Durchschnittstemperatur um fast 1,5 Grad Celsius. Ein zweites Diagramm beleuchtet die Entwicklung in den letzten 150 Jahren näher. Nach einem zunächst gemächlichen Anstieg kam es ab etwa 1960 zu einem rasanten Temperaturanstieg, dessen Tempo bis heute zunimmt. Die Wissenschaftler eruierten auch, dass natürliche Antriebsfaktoren (vor allem Sonnen- und Vulkanaktivitäten) gerade einmal 20 Prozent einer Temperaturänderung ausmachen, 80 Prozent hingegen sind Menschenwerk, wobei Kohlendioxid vor Methan als wichtigstes Treibmittel fungiert. Diese Ergebnisse lassen keine Ausreden und Alibi-Modelle mehr zu. Was homo sapiens an Zerstörerischem in die Welt gesetzt hat, muss er auch selbst wieder abstellen, und zwar zügig. Learnung by Suffering Natürlich haben sich die Leugner des Klimawandels nicht durch den UN-Bericht von ihrer Meinung abbringen lassen, schließlich lesen sie so etwas gar nicht. Zudem sind für sie die Vereinten Nationen ein Quasselhaufen und Instrument der Willensdurchsetzung für mächtige Nationen, was ja manchmal nicht ganz unrichtig ist. Dabei wird allerdings vergessen, dass in den Unterorganisationen wie UNESCO, UNICEF, WHO etc. zum Teil hervorragende Arbeit geleistet wird, dass Wissenschaftler von Weltrang mit der Erstellung von Analysen beauftragt werden. Die alte UNO schleppt sich schon recht malad daher. Zum Glück sind ihre Bälger quicklebendig. Nein, die einst so lautstarken Ignoranten haben schlicht erleben oder zumindest registrieren müssen, dass in ihren Urlaubsregionen Wassermangel herrscht, dass sie im Winter nur auf grünen Almen Ski fahren könnten, dass Flüsse immer gewaltiger über die begradigten Ufer treten oder dass die Wälder in der Umgebung ohne Gegenmaßnahmen bald wie Ansammlungen von Telegrafenstangen aussehen werden. Es war kein Learning by Doing, das diese (Maul)Helden unserer Zeit, zum Verschwinden von der öffentlichen Bühne bewegte, auch keine durch Infos erworbene Einsicht – es waren das immer unmittelbarer spürbare Leiden an einer kaputten Umwelt und eine erdrückende Faktenlage, die keine relativierenden Ausflüchte mehr zuließ. Noch eine besonders reizende Gruppe von Helden ist jäh verstummt. Oder haben Sie vielleicht in letzter Zeit jemanden über das Einpflanzen von Mikrochips per Corona-Impfung klagen hören? Aber hier ist es vielleicht nicht zu einer Meinungsänderung gekommen, vielmehr verstecken sich diese Verschwörungstheoretiker vermutlich vor uns geimpften, also im Dienste von Bill Gates stehenden Zombies. 04/2023 Dazu auch: Klassenprimus? und Krieg gegen die Natur im Archiv der Rubrik Politik und Abgrund (beides 2021) |
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