Hachfelds Welt II


...und Gedanken zum Abschied



2022



              Europa rückt nach rechts. Und wie! Sogar der Duce genießt 

                  nach dem Wahlsieg seiner glühenden Anhängerin Meloni neue

                  Popularität. Fragt sich nur, wann Adolf hinter Alice Weidel auftaucht...






               Flüchtlinge sind nicht alle gleich. Die EU begrüßt weiße Ukrainer und 

                 lässt an der polnischen Grenze zu Belarus dunklere Migranten in den 

                 Wäldern verrecken.





               Im März 2015 hatte Putin die Rechtsextremisten Europas nach 

                  St. Petersburg eingeladen. Wie waren die jetzt aber überrascht 

                  und enttäuscht, dass der Kreml-Chef Faschisten nur noch in der

                  Ukraine ortete!






2023





                    Um die schlaffe Nation "kriegstüchtig" zu machen, musste 

                    Minister Pistorius erst mal den Bundesadler zum behelmten

                    Falken umschulen.





                   Clever! Die Ampel-Koalition schlägt die Neonazis mit deren 

                   eigenen Agumenten...





                   Der etwas andere Friedensnobelpreisträger: Auch zum 100. 

                   Geburtstag bläst Henry Kissinger noch gern Lebenslichter 

                   aus - wie weiland in Vietnam, Laos, Kambodscha, Argentinien,

                   Chile und so weiter





2024





KI kann alles kopieren und plagiieren, an Sinn und  Kreativität hapert es indes manchmal bei ihr. Diese Collage wurde vom Zeichner übrigens mithilfe "Künstlerischer Intelligenz" erstellt.
















                    Wenn Rechtsextreme von der guten alten Zeit träumen...





                      Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat mindestens 

                      zwei ganz klare Meinungen zur Windkraft!



Wider den Strich


Wie vielseitig und umtriebig Rainer Hachfeld war, der Zeichner, der auch als Bühnenbildner fürs politische Kabarett, „Humorredakteur“ beim STERN, Cartoonist für konkret, deutsche und amerikanische Gewerkschaften, den Berliner Extradienst, die NEUE und zuletzt noch für Le Monde Diplomatique in Frankreich und walter-view sowie als Autor von Büchern und Stücken für das GRIPS-Theater tätig war, welche Auszeichnungen er hierzulande, aber auch in Lateinamerika er erhielt, kann man en detail Wikipedia oder den zahlreichen Nachrufen in den Medien entnehmen. Ich hingegen möchte ein paar (persönlich gefärbte) Schlaglichter auf den Menschen Hachfeld werfen.



Eines der letzten Fotos von Rainer

Hachfeld. Zur Trauerfeier am 26. 

Juni in Berlin erschien neben Freunden, Kollegen und Künstlern auch Polit-

Prominenz, die zu seinen Lebzeiten

die scharfe Beobachtungsgabe noch

zu fürchten hatte.





Es war eine verwirrende, im Vergleich zur aktuellen Gesellschaft mit ihren holzschnittartigen Fronten und von Fakes gestützten Gewissheiten fast wild zu nennende Zeit, als sich im von der DDR umzingelten Restberlin die taz und die aus dem Extradienst hervorgegangene NEUE aufmachten, die behäbige liberal-konservative Medienlandschaft der Bundesrepublik mit linker Tagesjournaille zu unterwandern. Es ging chaotisch zu, finanziell eher armselig, aber meinungsstark, wobei die inhaltlichen Auseinandersetzungen in den Redaktionen, nicht selten auch in der staunenden Öffentlichkeit ausgetragen wurden.


Als ich Anfang 1979 zum Gründungsteam der NEUEN stieß, musste ich mich erst an den rauen Umgangston gewöhnen, dessen sich die eher am ostdeutschen und sowjetischen Staatsbürokratismus, dem das leicht irrige Etikett „real existierender Sozialismus“ angeheftet wurde, orientierte Gruppe um den Chefredakteur Charly Guggomos und kritischer, manchmal sehr analytisch, bisweilen auch anarchisch denkender Redakteure wie Martin Buchholz und meine Wenigkeit befleißigten, wenn es um die Deutungshoheit ging. Zwischen den Fraktionen irrlichterte der geniale Wortakrobat Horst Tomayer umher, und dann war da noch der Hüne Hachfeld, der nie die Stimme erheben musste, um gehört zu werden, und bis in die tiefschwarze Zeichnerseele hinein skeptisch, genau abwägend und unabhängig urteilte. Bei den erregtesten Auseinandersetzungen blieb er kühl, in der Sache aber ähnlich kompromisslos und geradlinig wie in seinen Cartoons, die durch bitterböse Pointen und unmissverständliche Aussagen die Tradition politischer Karikatur ohne Zugeständnisse an Zeitgeist oder opportune Trends fortführten.


Der Mann der klaren zeichnerisch exakten Linie bürstete inhaltlich gern und oft wider den offiziösen Strich. Schon die Ratte als „Wappentier“ des Berliner Extradiensts hatte sein Faible für subversiven Humor deutlich gemacht. Als er Franz Josef Strauß für konkret als kopulierendes Schweinchen abbildete, geriet er in die Mühlen der Justiz. Zunächst zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung verurteilt, focht er seinen Streit gegen jegliche Gängelung von Satire durch die Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht aus. Die obersten Richter waren 1987 allerdings der Meinung, Hachfeld habe die „Würde des Menschen“, in diesem Fall eines Politikers, dessen Karriere durch Skandale, Affären und Schweinereien markiert wurde, verletzt – und das sei nicht durch die „Kunstfreiheit“ gedeckt.


Aber auch „natürliche“ Verbündete hatten ihre liebe Mühe mit dem eigenwilligen Künstler. So beauftragte die IG Metall zu ihrem hundertsten Geburtstag Hachfeld mit der Erstellung einer illustrierten Chronik ihrer wechselhaften Historie. Schon auf der Cover-Rückseite der „kleinen Bildergeschichte einer großen Gewerkschaft“ wies der Karikaturist darauf hin, dass er nicht unreflektiert in Jubelarien ausbrechen werde: „Höhepunkte aus 100 Jahren IG Metall – aber auch die Tiefpunkte nicht vergessen!“ Der Gewerkschaft war das Ergebnis am Ende zu kritisch, zu links, und sie verzichtete auf die Veröffentlichung.


Als die NEUE nach gut drei Jahren an organisatorischen und finanziellen Mängeln eingegangen war, verstreuten sich die Mitarbeiter in alle Ecken der Bundesrepublik oder sogar Westeuropas. Zuletzt war ich nur noch sporadisch als Autor für die Zeitung aktiv gewesen, verlor aber erst nach deren Pleite den Kontakt zu den meisten früheren Kollegen, auch zu Rainer Hachfeld, der – obgleich im pfälzischen Ludwigshafen geboren – in Berlin blieb, wo er längst zur Instanz der politischen und künstlerischen Szene geworden war, zu einem der geistigen Väter jener ewigen Auflehnung gegen die Banalität und Verlogenheit der Macht.


Es dauerte fast vierzig Jahre, bis wir wieder in persönliche Verbindung traten. Hachfelds Frau Beate hatte mir erzählt, dass er meinen Blog walter-view sehr gern lese, und als ich ihn fragte, ob er sich eine Mitarbeit vorstellen könne, war er sofort bereit dazu. Von 2019 an erweiterte er Woche für Woche meine Texte um eine optische Dimension, scharfsinnig und pointiert wie eh und je. Ich könnte nun mit den üblichen Trostfloskeln schließen: Rainer Hachfeld wurde 85 Jahre alt, hat also ein fast „biblisches“ Alter erreicht, sein Leben war privat und beruflich erfüllt, er arbeitete in den Metiers, die ihm wichtig waren, der Herztod kam so rasch, dass er nicht leiden musste etc.


Wenn ich mir aber seine letzten Cartoons ansehe und konstatiere, dass sie bis ans Ende nichts von ihrer Qualität und ihrem Biss eingebüßt hatten, komme ich zur Überzeugung, dass Rainer kreativ wie analytisch noch einiges auf Lager gehabt hätte.


06/2024


Dazu auch:


Lob des Papiers im Archiv der Rubrik Medien (2019)