Unser Autor hat eine Idee: Was derzeit für die Bundeswehr vorgeschlagen wird, könnte doch auch unsere sonstigen Probleme beheben.


Losung heißt die Lösung


Uwe Friesel


Jeder Fußball-Fan weiß: Das Runde muss ins Eckige. Mit dieser genial einfachen Losung des Philosophen Sepp Herberger haben wir damals die Weltmeisterschaft gewonnen. 1954 in Bern. Die Losung war die Lösung an sich, es war die Lösung aller Fußballprobleme überhaupt. Was können wir daraus für den Rest unserer existenziellen Malaisen lernen?


Im Zeitalter der Weltraummissionen hat inzwischen ein amerikanischer Astronaut, ein gewisser Major Tom, die Losung ausgegeben „Völlig losgelöst von der Erde / schwebt das Raumschiff / völlig schwerelos.“ Zehntausende grölen es im Stadion nach, sobald ein Tor fällt. Es fällt allerdings gar nicht, vielmehr hat das Runde nur den Weg ins Eckige gefunden.


Somit ist das Schwerelose die Lösung, und ein exakt getretener Fußball ist ein Raumschiff, ganz so, wie in Kubricks berühmtem Film 2001. Odyssee im Weltraum ein von einem Menschenaffen in die Luft geworfener Knochen plötzlich zum Raumschiff wird. Der Affenmensch hätte natürlich einen Fußball geworfen, wäre dieses Sportgerät damals schon bekannt gewesen. Seit jenem von Kubrick inszenierten Zwischenfall, der unserem Herrgott gar nicht in den Kram passte, weil er seine schöpferische Arbeit von sieben Tagen auf groteske, ja man kann sagen beleidigende Weise imitiert sah, gibt es für solchen Frevel das Fußballwort „Einwurf“.


Szenenwechsel: Die Berliner Raumschiffe Avus und ICC haben zwar abgedankt, doch dafür tagt der Deutsche Bundestag inzwischen unter einer gläsernen Kuppel, und jeder kann reingucken. Zwar ist das Plenum im Widerspruch zu seinem lateinischen Namen oft halb leer, doch gibt es auch hier außerirdische Einwürfe. Zwar sind es keine Knochen oder Fußbälle, doch was die AfD da manchmal in den Raum schleudert, hat offenbar ähnlich magische Kräfte: Plötzlich redet unser Kanzler vom Stadtbild, als wäre er einer von ihnen und als passe, wie einst zwischen Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder, nicht einmal mehr ein Blatt Papier zwischen CDU/CSU und AfD.


Und wie knapp und elegant! Keine Rede von Re-Migration oder Haut-Farbe oder Homo-Ehe oder Der-Islam-gehört-nicht-zu-uns, nein, Merz muss einfach nur das verschandelte Stadtbild herbeizitieren, wo nicht etwa geparkte Autos und fehlende Fahrradwege stören, sondern die Menschen, die da einkaufen gehen oder arbeiten oder auf Bänken sitzen und ’ne Stulle kauen. Oder ein Smörrebröd. Doch eigentlich stören sie uns nicht, denn sie sind ja weiß. Nein, das Schlimme am bundesdeutschen Stadtbild ist die gelbe oder kaffeebraune Farbe. Wir sprechen hier bewusst nicht von brauner Farbe, denn die ist ja seit 1945 aus dem Stadtbild verschwunden, ebenso wie die Hakenkreuzfahne (Eigentlich wurde die Swastika ja als Sonnenrad und Glücksbringer aus Indien importiert, in früheren Globalisierungs-Epochen, war weiland also indogermanischer Kult. Man ahnt schon, wie alles mit allem zusammen hängt, bei uns.)


Nun hat also Raumschiff Berlin darüber diskutiert, ob man Rekruten per Tombola ermitteln solle, denn das sei gerecht. Jede/r hätte gleiche Chancen. Nämlich sie/er müsse nur das richtige Los ziehen, schon sei mann/frau befreit von allen Diensten am Volkswohl. Oder sagen wir besser Gemeinwohl, denn Volkswohl riecht denn doch zu sehr nach der alten DDR, die ja niemand wiederhaben will. Obwohl dort selbstbewusste Traktoristinnen und Schweißerinnen eine Menge für die Gleichberechtigung getan –, sie gleichsam personifiziert haben. Hatten. Vor der Vereinigung. Das „Wieder“ lassen wir hier mal der Klarheit halber weg. (Schweißerinnen, dies denn doch noch, sind übrigens keine Schweizerinnen, wie ein Trump-Fan vielleicht meinen mag.)


Doch zurück zur Demokratie: Diskutiert wurde zwei Tage lang, ob beim freiwilligen Dienst, sei es an der Waffe oder im Krankenhaus, nicht am gerechtesten eine Losung sei, also die Lösung des Problems mittels Lostrommel, gewissermaßen eine Rekrutierungs-Tombola. Die Regierung hätte eine gerechte Zufalls-Methode gefunden und könnte sich somit endlich aus jener Verantwortung stehlen, für die sie gewählt wurde, nämlich diese nicht (mehr) ganz unwichtige Frage nach politischen Gesichtspunkten selbst entscheiden zu müssen. Der Herr Pistorius meint das zwar, doch das Sagen hat immer noch Herr Merz, schnurzegal, was Frau Merkel dazu sagt, aus dem Off.


Argumentative Hilfe kommt unverhofft aus Bali. Hier ist die Losung seit langem die Lösung, und zwar bei der Kaffeeproduktion. Es ist nämlich die Losung des Fleckenmusangs, einer indonesischen Schleichkatze, die liebend gerne Kaffeebohnen frisst und sie dann wieder ausscheidet. Als Losung eben. (Losung dieser Art kennen wir ja auch in Deutschland: kleine schwarzbraune Kügelchen, die keine Haselnüsse sind, sondern Hasenschiet.)


Die balinesische Musangkatzen-Losung wird dann von allem, was nicht Kaffee ist, durch sorgfältiges Trocknen befreit. Die so zurückgewonnenen Kaffeebohnen ergeben dann den beliebten Luwak- oder Katzenkaffee, der durch die Fermentierung im Schleichkatzenmagen eine ganz besondere Note erfahren hat. Schmeckt hervorragend. Wird von keiner europäischen Rösterei übertroffen. Außerdem: Nescafé-Gold wird ja auch luftgetrocknet.
Wenn also die Losung (sprich: Schiet) die Lösung ist, warum sollte nicht auch die (Aus-)Losung per Tombola alle anstehenden politischen Probleme wie Straßenbau, Bildung, Rente etc. lösen können? Man wird ja wohl noch nachfragen dürfen. Man wird aber auch die Regierung aus Christen und Sozialdemokraten noch daran erinnern dürfen, dass die meisten Tombola-Lose Nieten sind.


11/2025